Langsam öffnen sich meine Augen,
ich war nicht so richtig weg, in einem Traum gefangen. Kaum dass ich mich
umsehe registriere ich, dass kein warmes Haus mich umgibt, ich auch nicht
frisch gewaschen bin oder etwas dergleichen. Es ist beinahe Schade. Und doch,
dass mein Verstand diesen Traum als ganz normal abtut, Dinge, die ich doch so
noch nie gesehen habe, noch nie das Nimmerland verlassen habe, hinterfrage ich
tatsächlich kurz. Nur kurz, denn dann werde ich endgültig wach und die
Erinnerung an den Traum, aber auch meine Zweifel, verschwinden.
Stattdessen ist da dieses Licht,
welches mich blendet. Erst halte ich es für den See, dann Sonnenstrahlen,
welche vielleicht ihren Weg durch das Blätterdach gefunden haben, aber es ist
nichts dergleichen. Direkt vor mir, dicht über dem matschigen Boden, schwebt
etwas. Es ist das gleiche, zierliche Wesen, welches ich schon damals im Schiff
volltrunken herbeihalluziniert habe und ja, auch dieses Mal halte ich es für
einen Traum. Vielleicht stelle ich mir ja mein potentielles Mittagessen vor und bin mittlerweile an einem Punkt
angekommen, dass ich alles essen würde, wirklich alles.
Die Fee erwidert meinen Blick,
schwirrt auf der Stelle leicht nach oben und unten und ihre langen, eleganten
Flügel bewegen sich so schnell, dass ich sie kaum erkennen kann. Langsam, ganz
langsam, also, wirklich langsam, als würde ich einem Krokodil freiwillig ins
Maul fassen um seine Zähne zu betasten, strecke ich die Hand aus. Ich spüre den
Luftzug, welchen ihre Flügel verursachen, bereits auf meiner Haut und das
mulmige Gefühl breitet sich immer mehr aus. Und dann berühre ich sie, nur ganz
leicht, erstarre und sehe zu, wie sie einfach auf meine Handfläche flattert und
sich dort hinstellt.
Meine Gesichtszüge müssen mir
völlig entgleist sein, sind wie festgefroren und sicherlich auch wenig
salonfähig, als ich das kleine Wesen völlig perplex anstarre und starre und
starre und starre und dann auf einmal anfange panisch zu kreischen. Ich zucke
zurück, reiße meine Hand weg und bin so schnell nach hinten gerobbt, wie es für
meinen Körper sicherlich nicht gut ist. Die Fee indes wird durch die Luft
geschleudert, was mich aber nicht groß schert, solange sie nicht wieder zu nahe
an mich heran kommt. Ich schüttle mich, stoße gegen den Baumstamm und bleibe
sitzen, während ich ihr empörtes Klingeln im Ohr höre und dann auch der Gnom,
sowie die Meerjungfrau wütende Laute ausstoßen.
Den Kopf schüttelnd mustere ich
Beide, sehe mich nach der Fee um, welche Kreise um mich zieht, so weit, dass
sie mir nicht nahe kommt, ich aber doch den Kopf einziehe. Der Gnom nickt nur,
die Meerjungfrau lässt ihre Flosse auf das Wasser klatschen und ich schüttle
immer noch den Kopf.
„Eine Fee, eine Fee… ha…. Haha….
Ich werde komplett verrückt. So schnell geht doch sowas nicht?“, fange ich an
mit mir selbst zu sprechen und bin mir bewusst, dass keines der anwesenden
Wesen mir wirklich eine Antwort geben kann, noch mich versteht. Zumindest nehme
ich das an und dann steht plötzlich etwas auf meinem Kopf.
Wieder schreie ich und wie ich
schreie. Ich springe auf, kreische am Spieß, fuchtle mit den Armen und versuche
dieses Ding von mir fernzuhalten. Meine Schritte sind unbeholfen, ich bin
wesentlich zu schwach für diese ganze Aktion, mein Magen will sich im nächsten
Moment wieder umdrehen und meine Knie knicken ein, wodurch ich erst recht das
Gleichgewicht verliere. Mein Schrei bricht ab, als sie mir ruckartig am Ohr
zieht, von Panik zu Schmerz und ich das elende Ding irgendwie versuche
wegzuschlagen. Sie weicht aus, ich taumle, werde von ihr am anderen Ohr
gezogen, verliere plötzlich den Boden unter den Füßen und pralle mit einem
letzten Schrei und lautem Platschen auf die Wasseroberfläche. Um mich herum
steigen Blasen auf, der Schwanz der Meerjungfrau wedelt aufgeregt vor meinem
Gesicht hin und her und ich halte die Luft vehement an, den Lichtpunkt über der
Wasseroberfläche beobachtend.
Langsam, wirklich langsam tauche
ich etwas auf, schiebe meinen Kopf ohne dabei eine Welle zu erzeugen über die
Wasseroberfläche, bis ich zumindest durch die Nase atmen kann. Mein Blick auf
dieses Flatterding gerichtet, welches unweit von mir auf einer großen Blüte
Platz genommen hat, welche den Kopf weit über das Wasser hängen lässt. Mir
fällt auch auf, dass es deutlich kühler ist als am Vortag. Misstrauisch mustere
ich diese… Fee. Es ist eine Fee und ich hab noch nie zuvor eine Fee gesehen.
Gut, das stimmt nicht, ich habe sie schon einmal gesehen, aber sonst habe ich
noch nie eine Fee gesehen. Die sind nämlich ausgestorben und das wegen Gründen.
Kälte unter anderem. Wahrscheinlich hauptsächlich die Kälter, aber da bin ich
mir nicht so sicher.
Sie sieht zurück und wenn ihr
Gesicht nicht so winzig wäre und ich dieses gute Stück entfernt, dann würde ich
eventuell behaupten, dass sie mich ansieht, als ob ich gänzlich den Verstanden
verloren habe. Aber statt dass ich näher komme und mich davon überzeuge mustere
ich sie einfach nur. Sie steht auf, ich schwimme etwas zurück und dann stemmt
sie die kleinen Fäustchen in die Hüfte und fängt an herum zu bimmeln. Sie
klingt tatsächlich auch etwas aufgebracht, flattert arg mit den Flügeln und
gestikuliert. Ein paar einzelne Brocken verstehe ich tatsächlich, was ich gar
nicht fassen kann. Aber mein Vater hat mir von so gut wie jeder Sprache etwas
beigebracht, die im Nimmerland gesprochen werden. Nicht dass ich eines Tages
vor den Indianern stehe und ihnen nicht begreiflich machen kann, dass es sich
nicht lohnt diesen kurzen Skalp abzuschneiden. Dass darunter aber Feeisch dabei
war oder wie auch immer das heißt.
Sie meckert mich an und sagt ein
paar Dinge, die doch recht wüst sind, auch wenn ich mir da nicht zu 100% sicher
bin und etwas entsetzt, dass ein so kleines Wesen, einen so großen Wortschatz
an Beleidigungen aufweisen kann. Die anderen Kreaturen haben sich in eine Art
Kreis um uns geschart, die einen halten sich dabei weiter im Hintergrund und
andere wiederum, wie der Gnom, sind ganze nahe bei der Fee, die mittlerweile
anfängt rot anzulaufen.
Mir war gar nicht bewusst, wie
viele Wesen hier Zuflucht gesucht haben. Es sind ganze Familien, Wichtel und
Dixies, ein paar Zweihörnchen, Regenbogenfrösche, fünf fliegende Fische, die
ihre Runden über uns drehen. Der Spink scheint alleine, so wie der Gnom selbst
auch, aber diese Wesen können auch überall überleben. Zumindest nehme ich das
an.
Sie alle sind abgezehrt, haben
Verletzungen und drücken sich eng zusammen. Selbst ein paar goldene Mäuse kann
ich ausmachen, die fiepsend am Wasserloch sitzen und die Fee begutachten. Eine
große Versammlung aller, die bereits als so gut wie tot gelten und ich mitten
drin. Gerade noch rechtzeitig und überrascht aufschreiend, tauche ich unter,
als der rote glühe Ball auf mich zuschießt. Ein Blick nach oben und ich stelle
fest, dass sie wesentlich dichter über der Wasseroberfläche hin und her fliegt.
Und dann ist da das Gesicht der Meerjungfrau vor mir im See und ich höre sie,
wie sie singt.
Sie gleitet durch das Wasser und
verursacht so gut wie keine Bewegungen dabei, es bleibt alles Ruhig und sogar
das blaue Licht scheint passend zu ihrer Stimme leicht zu vibrieren. Wieder
frage ich mich, wie sie hier gelandet ist.
Als sich der rote Lichtpunkt wieder
verzogen hat und ich es vor allem auch nicht mehr viel länger ohne Sauerstoff
aushalte, tauche ich auf. Nur ein Stück, sehe mich wachsam um und sehe das nun
etwas grünlich glänzende Wesen, wie es wieder auf seiner Blume sitzt, die
kleinen Ärmchen verschrenkt. Die Flügel hängen etwas und auch sonst scheint es
alles andere als erfreut über diese Situation. Als hätte es sich das alles
etwas anders vorgestellt.
„Hab ich mir auch anders
vorgestellt. Dachte ich wäre heute betrunken unter Deck“, grummle ich in meinen
nicht vorhandenen und wenn vorhandenen, triefend nassen Bart. Das Wesen
beachtet mich gar nicht, stattdessen sieht sie trotzig woanders hin und gibt
dann ein herablassendes, einzelnes Bimmeln von sich. Der Gnom indes sitzt zu
ihren Füßen, hält eine der leuchtenden Blumen in der Hand, welche doch arg den
Kopf hängen lässt. Die Pflanzenwelt zeigt dass es auf den Winter zu geht und
ja, mittlerweile bin ich mir sicher, dass das Wasser kälter ist.
Außerdem habe ich mich etwas an den
Anblick dieses kleinen Fräuleins gewöhnt, welches mich mit Missachtung straft,
immer wieder empörte Laute von sich gibt, dementsprechend auch das kleine
Köpfchen schüttelt und es nur so glänzenden, leuchtenden Staub rieselt. Dieser
scheint aus ihrem Körper zu kommen, aus den Haaren zu fallen und von den
Kleidern. Es ist ganz eigenartig. Ich starre sie an, bis es mir auf Dauer
einfach zu grell wird und entscheide dann, dass ich ans andere Ende des Sees
schwimme und mich dort aus dem Wasser ziehe. Immerhin scheint ja neben der
Meerjungfrau nicht wirklich viel anderes darin zu leben.
Ich habe Hunger, ich habe Durst und
ich muss Pipi. Mir erscheint es auch nicht sehr höflich ins Wohnzimmer der
Meerjungfrau zu pinkeln. Außerdem würde ich wohl ertränkt werden, kaum dass die
Pipiwolke etwas absinkt. Das will ich dann doch nicht riskieren. Schwerfällig
und dieses Mal nicht so sportlich, dass ich mich versuche raus zu stemmen und
mir nur wieder elendig das Kinn anschlage, ziehe ich mich an Land. Meine
Muskeln zittern und das von der wenigen Anstrengung, dafür ist das Kopfweh nach
dem Bad besser. Langsam sehe ich mich um, realisiere, dass der Gnom schneller
bei mir ist als ich Pip sagen kann oder
Pipi und ich mich frage, womit ich dieses anhängliche Etwas verdient habe. Dass
die Fee sich nach wie vor schmollend und mittlerweile zwischen Gelb und Grün
schwankend, es ist eine unschöne Farbe, einfach nicht gerührt hat, beruhigt
mich doch. Ich will wirklich nicht näher hin als ich muss, so ganz traue ich
dem Braten nicht. Außerdem verstehe ich auch nicht, was genau sie bitte von mir
möchte. Dass sie wohl etwas möchte und das Ganze mit dem Pan zu tun haben
könnte, verstehe ich. Vielleicht ist ja in ihr kleines Erbsenhirn nicht rein
gegangen, dass Peter Pan endgültig tot ist. Feen haben ja nur einen kleinen
Kopf, nehme ich mal stark von allen an. Da kann einfach nicht so viel Platz für
sonderlich viel Verstand sein.
Wieso passiert mir so eine Scheiße?
Ach ja, ansonsten wäre ich wohl schon längst tot, zumindest ohne den Gnom, der
dicht vor mir herläuft und dabei stolz sein Blümchen trägt. Er rupft immerzu
weitere ab, alle, die bereits sterben und bringt sie weg. Und dabei kann man
sogar beobachten, wie er für jede eine traurige Mine aufsetzt, als würde er an
ihrem Bett sitzen und ihnen ganz zum Schluss die Hand halten. Der Gedanke
scheint absurd und doch, während ich mich Schritt für Schritt zwischen den
ganzen Wesen hindurch und Weg von dem See schlängle, habe ich immer mehr das
Gefühl, dass diese Spezies nicht so dumm ist, wie sie erscheint. Die meisten
der Wesen meiden mich auch nicht, wie man es erst annehmen würde. Eigentlich
würde ich es in manchen Fällen tatsächlich bevorzugen, wenn sie etwas mehr
Scheue an den Tag legen würden, bei dem Spink zum Beispiel oder eben der Fee.
Der Gnom watschelt, watschelt,
wuselt dann zwischen etwas Unterholz davon, dass ich umgehen muss und dann sehe
ich es. Im Matsch und Schlamm, zwischen abgestorbenen Pflanzen, Gestrüpp und
trockenen Ästen, dort legt er die Blumen hin. Die Wichtel selbst lockern die
Erde auf und scheinen sich ein kleines Acker mit Pilzen und dergleichen
angelegt zu haben. Mir bringt das nichts, da diese Wesen grundsätzlich alles zu
essen scheinen, was für uns giftig ist.
Nur kurz sehen sie auf, nicken dem
Gnom dankend zu, der die Blumen zu den anderen wirft und dann wieder zurück zu
mir kommt. Statt dass also ich auf die große Suche nach etwas essbarem gehe,
laufe ich irgendwie wieder diesem kleinen Wesen nach, welches vor sich hin
plappert. Mittlerweile bin ich sogar froh, dass ich ihn nicht verstehe oder sie…
so ganz kann ich das nicht differenzieren. Er könnte mir ja von seinem
Schlafplatz erzählen oder wie er heute sein Geschäft erledigt hat, so viel wie
der Gnom redet kann ich mir schwer vorstellen, dass er auch nur eine Sache
nicht erwähnt.
Dafür würde mich wirklich
interessieren, wie er die Meerjungfrau gefunden hat, wie den See. Wieso er so
normal auf die Fee reagiert und was es bitte mit dieser ganzen Pan-Scheiße auf
sich hat. Das ausgerechnet ich damit zu tun haben muss. Pan. Ich spucke auf
ihn. Er ist gegangen. Erst war er da und damals ging es Nimmerland gut, das hat
mein Vater immer gesagt. Ja, es war anstrengend und sie hatten große Schlachten
gegen die verlorenen Jungen und die Indianer, aber es war besser. Er hat zwar
nicht viel gesagt, aber so hat es sich zumindest angehört. Und dann ist Pan das
erste Mal verschwunden, um nach Ewigkeiten, einem wirklich langen Winter wieder
aufzutauchen. Das weiß jedes Kind, es wird hinter den Kneipen und in den
Bordellen erzählt. Und Peter Pan hatte plötzlich Kinder, die er retten musste,
nur war er eben dick geworden und hatte verlernt zu glauben. Woran auch immer.
Manche glauben auch etwas zu sehr an jeden Dreck hier, vor allem an den lieben
Alkohol. Damals hat er Hook getötet, hat seine Kinder gepackt und ist gegangen.
Er hat eine Familie dem Nimmerland
vorgezogen und uns alle verraten, aber noch schlimmer ist, dass er uns nun
endgültig alle zurück gelassen hat. Lieber ist er alt und fett geworden,
zufrieden, mit weißen Haaren. Ja, schön. Davon träumt jeder, nur dass ich
wahrscheinlich nur weiß von der Kälter werde, wenn mir das Blut dann gefriert.
Er hat uns verraten, uns alle zurück gelassen und genau deswegen will ich mit
Peter Pan nichts, aber wirklich absolut gar nichts zu tun haben.
Der Gnom plappert weiter, tappst
schnell neben mir her und biegt immer mal wieder in eine Richtung ab, wohin ich
ihm folge. Mein Magen fängt sich mittlerweile an selbst zu verdauen und zu trinken
brauche ich auch, diese kleine Menge hat eindeutig nicht ausgereicht. Ein
Rascheln lässt mich inne halten, irgendwo knackt es leise und als ich mich
umsehe erkenne ich auch ein grünliches Leuchten, nur im Augenwinkel. Es genügt
bereits um mich erahnen zu lassen, dass die Fee uns folgt, wohl aber versucht
unbemerkt zu sein, sich dabei aber zu dämlich anstellt.
Ich habe sie zumindest gesehen und
nach dem Grinsen des Gnoms, der erst mich und dann die Stelle hinter mir
ansieht, dann aber hastig wieder wegkuckt und weiter läuft, hat er sie
offensichtlich auch bemerkt. Toll. Also habe ich einen mir das Ohr abkauenden
Gnom, den es nicht schert ob ich ihn verstehe und eine aggressive Fee. Falls
ich das irgendjemandem erzähle, die halten mich alle für verrückt oder schieben
es auf meine Nüchternheit. Da kann das Hirn bisschen spinnen.
Das Zittern macht mich völlig
fertig, vor allem auch meine Kurzatmigkeit und dann dieses Verlangen. Ich
brauche etwas zu trinken oder vielleicht kann ich auch einfach ein paar Kräuter
rauchen. So nahe war ich schon lange, wirklich lange nicht mehr an Nüchtern
dran und es macht meinen Körper fertig.
Der Gnom läuft zu ein paar Büschen,
ich folge hindurch und kann dann ein paar rote Beeren ausmachen, direkt gerade
aus. Auf eben diese steure ich zu, mustere sie und zupfe eine ab, um sie
genauer zu inspizieren. Kaum dass ich entscheide, dass ich sie weder kenn, noch
wirklich weiß, ob sie giftig sind, kommt auch schon mein kleiner Beschützer
quäkend und panisch angelaufen, um wild fuchtelnd mich davon abzuhalten. Also,
mich davon abzuhalten, etwas zu essen, dass ich gar nicht vorhatte zu essen.
Stattdessen hält er mir eine andere
Beere entgegen und zeigt mir sogar wo er diese gefunden hat, kaum dass ich ihm
folge. Wieder das leise Klingeln hinter uns, ich ignoriere es einfach und werde
hellhörig, als ich neben meinen Schritten und dem Knacken im Unterholz auch das
leise Rauschen von Wasser höre. Die Beeren sind schnell gefunden, auch ein paar
Pilze, die ich zuordnen kann und all das sprießt entlang einen seichten,
kleinen Bachs, dessen Wasser wirklich sauber wirkt. Es wäre mir auch herzlich
egal, wenn es dreckig wäre, solange es nicht fischig ist und Tiere hinein… ich
will da einfach nicht weiter drüber nachdenken. Hastig schöpfe ich mir das
kühle Nass in den Mund, schlucke natürlich zu schnell, mal wieder und kotze es
beinahe wieder aus.
Das ist mir ja erst neulich
passiert, im Wald, an diesem Brunnen… . Ich erstarre, sehe hinab auf die
Wassseroberfläche und mein verschwommenes Spiegelbild an. Ein dunkler Schatten,
einige Konturen zu erkennen, mehr aber nicht. Welcher Wald? Welcher Brunnen? Es
scheint so real, aber irgendwie ist die Erinnerung nicht richtig greifbar,
einfach nicht ganz zu fassen und dann reißt mich das Klingeln aus meinen
Gedanken.
Die Fee hat sich dazu herabgelassen
aufzuschließen, sie leuchtet etwas rosa und hat sich mit den Beeren
angefreundet, die der Gnom eigentlich für mich gepflückt hat. Undankbares Ding.
Mittlerweile habe ich mich sogar etwas daran gewöhnt, an dieses Flatterding, auch
wenn ich nicht will, dass sie in meine Nähe kommt. Wie eine Mücke, die will man
auch nicht zu nahe an sich dran haben.
In ihren winzigen Händen hält sie
die große Beere, und beißt immer wieder hinein. Nur langsam, nachdem sich mein
Magen erholt und doch nicht entleert hat, nähere ich mich. Als würde sie mich
jeden Moment wieder attackieren. Aber sie bleibt ruhig, isst zufrieden und
reagiert auch nicht, als ich ein paar Beeren einsammle und in den Mund schiebe.
Mein Magenknurren kann man sicherlich weit hören und dann die Töne, welche er
veranstaltet, als etwas festeres ihn füllt. Falls man denn diese Beeren als
feste Nahrung abtun kann.
Ein Knacken lässt mich
aufschrecken, ich sehe mich um und den Gnom an, welcher gerade wieder aus dem
Unterholz kommt und allerlei Beeren, größere Früchte in verschiedensten Farben
und Wurzeln herbei trägt. Er gurrt zufrieden, wirft das alles hin und dreht
sich wieder um. Knacks, Knacks, Knacks und dann schreit er. Mein Blick bleibt
an den Füßen hängen, zwei Füßen, um genau zu sein und sie sind nackt. Braun und
nackt und behaart und männlich. Die winzigen Härchen auf den Zehen stören mich
nicht einmal, viel mehr der Anblick, als ich den Kopf in den Nacken lege,
mittlerweile ja sitze und somit eindeutig in der ungünstigeren Position bin.
Ja, und dann hängt da dieser Speer
unter meinem Kinn und das ist die noch ungünstigere Position. „Parley?“, bringe
ich heraus und kann mich ganz schwammig an diese Regel zurück erinnern. Wenn
man selten auf andere Piraten stößt, mit selten meine ich nie, dann kann man
sowas schon mal vergessen. Nur dass da vor mir kein Pirat steht, sondern eine
Rothaut. Ein ziemlich großer Mann, mit Kriegsbemalung, schwarzem, langem Haar,
das nach hinten zusammen gefasst ist und von einigen Federn geschmückt ist. Er
hat ein ernstes, hartes Gesicht, einen leichten Bartansatz, dunkle, schmale
Augen, große Lippen und jetzt fragt man sich eventuell, wieso genau ich nur
sein Gesicht und diese Haarpracht beschreibe. Nun… der Rest ist halbnackt.
Ob das mein erstes Zusammentreffen
mit einem Indianer ist, nein. So aus der Ferne habe ich die schon mal gesehen,
da haben sie mehr getragen. Aber wie gesagt, meist war ich eher für die Tiere
zuständig, die uns zerfleischen wollen und nicht Indianer. Nein.
Mein Gesicht glüht, das tut mein
Körper ja ohnehin schon die ganze Zeit, abwechselnd mit dem Schüttelfrost, aber
die Hitze kommt eindeutig nicht von meinem Alkoholentzug. Ich hebe vorsichtig
die Hand, erst zu schnell, weswegen mir die Klinge ruckartig etwas mehr gegen
den Hals drückt und dann wesentlich langsamer, WIE-IN-ZEIT-LU-PEEEE. Ich habe
keine Waffen, ich bin völlig ausgehungert und eine Frau, auch wenn er Letzteres
wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Er kümmert sich auch nicht weiter um den
Gnom, schenkt ihm keinen Blick, was dieser ausnutzt.
Ich sehe meinem ehemaligen
Schoßhündchen hinterher, realisiere, dass auch die Fee einfach verschwunden ist
und beide mich völlig im Stich gelassen haben. Verräter, alles Verräter. Etwas
peinlich berührt und wirklich bemüht nicht direkt auf diese Bauchmuskeln zu
starren, versuche ich umständlich und mit beiden Händen erhoben aufzustehen. Ob
der mich überhaupt versteht?
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