Dienstag, 17. November 2015

Never Tag 16 & 17



Langsam öffnen sich meine Augen, ich war nicht so richtig weg, in einem Traum gefangen. Kaum dass ich mich umsehe registriere ich, dass kein warmes Haus mich umgibt, ich auch nicht frisch gewaschen bin oder etwas dergleichen. Es ist beinahe Schade. Und doch, dass mein Verstand diesen Traum als ganz normal abtut, Dinge, die ich doch so noch nie gesehen habe, noch nie das Nimmerland verlassen habe, hinterfrage ich tatsächlich kurz. Nur kurz, denn dann werde ich endgültig wach und die Erinnerung an den Traum, aber auch meine Zweifel, verschwinden.
Stattdessen ist da dieses Licht, welches mich blendet. Erst halte ich es für den See, dann Sonnenstrahlen, welche vielleicht ihren Weg durch das Blätterdach gefunden haben, aber es ist nichts dergleichen. Direkt vor mir, dicht über dem matschigen Boden, schwebt etwas. Es ist das gleiche, zierliche Wesen, welches ich schon damals im Schiff volltrunken herbeihalluziniert habe und ja, auch dieses Mal halte ich es für einen Traum. Vielleicht stelle ich mir ja mein potentielles Mittagessen vor  und bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, dass ich alles essen würde, wirklich alles.
Die Fee erwidert meinen Blick, schwirrt auf der Stelle leicht nach oben und unten und ihre langen, eleganten Flügel bewegen sich so schnell, dass ich sie kaum erkennen kann. Langsam, ganz langsam, also, wirklich langsam, als würde ich einem Krokodil freiwillig ins Maul fassen um seine Zähne zu betasten, strecke ich die Hand aus. Ich spüre den Luftzug, welchen ihre Flügel verursachen, bereits auf meiner Haut und das mulmige Gefühl breitet sich immer mehr aus. Und dann berühre ich sie, nur ganz leicht, erstarre und sehe zu, wie sie einfach auf meine Handfläche flattert und sich dort hinstellt.
Meine Gesichtszüge müssen mir völlig entgleist sein, sind wie festgefroren und sicherlich auch wenig salonfähig, als ich das kleine Wesen völlig perplex anstarre und starre und starre und starre und dann auf einmal anfange panisch zu kreischen. Ich zucke zurück, reiße meine Hand weg und bin so schnell nach hinten gerobbt, wie es für meinen Körper sicherlich nicht gut ist. Die Fee indes wird durch die Luft geschleudert, was mich aber nicht groß schert, solange sie nicht wieder zu nahe an mich heran kommt. Ich schüttle mich, stoße gegen den Baumstamm und bleibe sitzen, während ich ihr empörtes Klingeln im Ohr höre und dann auch der Gnom, sowie die Meerjungfrau wütende Laute ausstoßen.
Den Kopf schüttelnd mustere ich Beide, sehe mich nach der Fee um, welche Kreise um mich zieht, so weit, dass sie mir nicht nahe kommt, ich aber doch den Kopf einziehe. Der Gnom nickt nur, die Meerjungfrau lässt ihre Flosse auf das Wasser klatschen und ich schüttle immer noch den Kopf.
„Eine Fee, eine Fee… ha…. Haha…. Ich werde komplett verrückt. So schnell geht doch sowas nicht?“, fange ich an mit mir selbst zu sprechen und bin mir bewusst, dass keines der anwesenden Wesen mir wirklich eine Antwort geben kann, noch mich versteht. Zumindest nehme ich das an und dann steht plötzlich etwas auf meinem Kopf.
Wieder schreie ich und wie ich schreie. Ich springe auf, kreische am Spieß, fuchtle mit den Armen und versuche dieses Ding von mir fernzuhalten. Meine Schritte sind unbeholfen, ich bin wesentlich zu schwach für diese ganze Aktion, mein Magen will sich im nächsten Moment wieder umdrehen und meine Knie knicken ein, wodurch ich erst recht das Gleichgewicht verliere. Mein Schrei bricht ab, als sie mir ruckartig am Ohr zieht, von Panik zu Schmerz und ich das elende Ding irgendwie versuche wegzuschlagen. Sie weicht aus, ich taumle, werde von ihr am anderen Ohr gezogen, verliere plötzlich den Boden unter den Füßen und pralle mit einem letzten Schrei und lautem Platschen auf die Wasseroberfläche. Um mich herum steigen Blasen auf, der Schwanz der Meerjungfrau wedelt aufgeregt vor meinem Gesicht hin und her und ich halte die Luft vehement an, den Lichtpunkt über der Wasseroberfläche beobachtend.
Langsam, wirklich langsam tauche ich etwas auf, schiebe meinen Kopf ohne dabei eine Welle zu erzeugen über die Wasseroberfläche, bis ich zumindest durch die Nase atmen kann. Mein Blick auf dieses Flatterding gerichtet, welches unweit von mir auf einer großen Blüte Platz genommen hat, welche den Kopf weit über das Wasser hängen lässt. Mir fällt auch auf, dass es deutlich kühler ist als am Vortag. Misstrauisch mustere ich diese… Fee. Es ist eine Fee und ich hab noch nie zuvor eine Fee gesehen. Gut, das stimmt nicht, ich habe sie schon einmal gesehen, aber sonst habe ich noch nie eine Fee gesehen. Die sind nämlich ausgestorben und das wegen Gründen. Kälte unter anderem. Wahrscheinlich hauptsächlich die Kälter, aber da bin ich mir nicht so sicher.
Sie sieht zurück und wenn ihr Gesicht nicht so winzig wäre und ich dieses gute Stück entfernt, dann würde ich eventuell behaupten, dass sie mich ansieht, als ob ich gänzlich den Verstanden verloren habe. Aber statt dass ich näher komme und mich davon überzeuge mustere ich sie einfach nur. Sie steht auf, ich schwimme etwas zurück und dann stemmt sie die kleinen Fäustchen in die Hüfte und fängt an herum zu bimmeln. Sie klingt tatsächlich auch etwas aufgebracht, flattert arg mit den Flügeln und gestikuliert. Ein paar einzelne Brocken verstehe ich tatsächlich, was ich gar nicht fassen kann. Aber mein Vater hat mir von so gut wie jeder Sprache etwas beigebracht, die im Nimmerland gesprochen werden. Nicht dass ich eines Tages vor den Indianern stehe und ihnen nicht begreiflich machen kann, dass es sich nicht lohnt diesen kurzen Skalp abzuschneiden. Dass darunter aber Feeisch dabei war oder wie auch immer das heißt.
Sie meckert mich an und sagt ein paar Dinge, die doch recht wüst sind, auch wenn ich mir da nicht zu 100% sicher bin und etwas entsetzt, dass ein so kleines Wesen, einen so großen Wortschatz an Beleidigungen aufweisen kann. Die anderen Kreaturen haben sich in eine Art Kreis um uns geschart, die einen halten sich dabei weiter im Hintergrund und andere wiederum, wie der Gnom, sind ganze nahe bei der Fee, die mittlerweile anfängt rot anzulaufen.
Mir war gar nicht bewusst, wie viele Wesen hier Zuflucht gesucht haben. Es sind ganze Familien, Wichtel und Dixies, ein paar Zweihörnchen, Regenbogenfrösche, fünf fliegende Fische, die ihre Runden über uns drehen. Der Spink scheint alleine, so wie der Gnom selbst auch, aber diese Wesen können auch überall überleben. Zumindest nehme ich das an.
Sie alle sind abgezehrt, haben Verletzungen und drücken sich eng zusammen. Selbst ein paar goldene Mäuse kann ich ausmachen, die fiepsend am Wasserloch sitzen und die Fee begutachten. Eine große Versammlung aller, die bereits als so gut wie tot gelten und ich mitten drin. Gerade noch rechtzeitig und überrascht aufschreiend, tauche ich unter, als der rote glühe Ball auf mich zuschießt. Ein Blick nach oben und ich stelle fest, dass sie wesentlich dichter über der Wasseroberfläche hin und her fliegt. Und dann ist da das Gesicht der Meerjungfrau vor mir im See und ich höre sie, wie sie singt.
Sie gleitet durch das Wasser und verursacht so gut wie keine Bewegungen dabei, es bleibt alles Ruhig und sogar das blaue Licht scheint passend zu ihrer Stimme leicht zu vibrieren. Wieder frage ich mich, wie sie hier gelandet ist.
Als sich der rote Lichtpunkt wieder verzogen hat und ich es vor allem auch nicht mehr viel länger ohne Sauerstoff aushalte, tauche ich auf. Nur ein Stück, sehe mich wachsam um und sehe das nun etwas grünlich glänzende Wesen, wie es wieder auf seiner Blume sitzt, die kleinen Ärmchen verschrenkt. Die Flügel hängen etwas und auch sonst scheint es alles andere als erfreut über diese Situation. Als hätte es sich das alles etwas anders vorgestellt.
„Hab ich mir auch anders vorgestellt. Dachte ich wäre heute betrunken unter Deck“, grummle ich in meinen nicht vorhandenen und wenn vorhandenen, triefend nassen Bart. Das Wesen beachtet mich gar nicht, stattdessen sieht sie trotzig woanders hin und gibt dann ein herablassendes, einzelnes Bimmeln von sich. Der Gnom indes sitzt zu ihren Füßen, hält eine der leuchtenden Blumen in der Hand, welche doch arg den Kopf hängen lässt. Die Pflanzenwelt zeigt dass es auf den Winter zu geht und ja, mittlerweile bin ich mir sicher, dass das Wasser kälter ist.
Außerdem habe ich mich etwas an den Anblick dieses kleinen Fräuleins gewöhnt, welches mich mit Missachtung straft, immer wieder empörte Laute von sich gibt, dementsprechend auch das kleine Köpfchen schüttelt und es nur so glänzenden, leuchtenden Staub rieselt. Dieser scheint aus ihrem Körper zu kommen, aus den Haaren zu fallen und von den Kleidern. Es ist ganz eigenartig. Ich starre sie an, bis es mir auf Dauer einfach zu grell wird und entscheide dann, dass ich ans andere Ende des Sees schwimme und mich dort aus dem Wasser ziehe. Immerhin scheint ja neben der Meerjungfrau nicht wirklich viel anderes darin zu leben.
Ich habe Hunger, ich habe Durst und ich muss Pipi. Mir erscheint es auch nicht sehr höflich ins Wohnzimmer der Meerjungfrau zu pinkeln. Außerdem würde ich wohl ertränkt werden, kaum dass die Pipiwolke etwas absinkt. Das will ich dann doch nicht riskieren. Schwerfällig und dieses Mal nicht so sportlich, dass ich mich versuche raus zu stemmen und mir nur wieder elendig das Kinn anschlage, ziehe ich mich an Land. Meine Muskeln zittern und das von der wenigen Anstrengung, dafür ist das Kopfweh nach dem Bad besser. Langsam sehe ich mich um, realisiere, dass der Gnom schneller bei  mir ist als ich Pip sagen kann oder Pipi und ich mich frage, womit ich dieses anhängliche Etwas verdient habe. Dass die Fee sich nach wie vor schmollend und mittlerweile zwischen Gelb und Grün schwankend, es ist eine unschöne Farbe, einfach nicht gerührt hat, beruhigt mich doch. Ich will wirklich nicht näher hin als ich muss, so ganz traue ich dem Braten nicht. Außerdem verstehe ich auch nicht, was genau sie bitte von mir möchte. Dass sie wohl etwas möchte und das Ganze mit dem Pan zu tun haben könnte, verstehe ich. Vielleicht ist ja in ihr kleines Erbsenhirn nicht rein gegangen, dass Peter Pan endgültig tot ist. Feen haben ja nur einen kleinen Kopf, nehme ich mal stark von allen an. Da kann einfach nicht so viel Platz für sonderlich viel Verstand sein.
Wieso passiert mir so eine Scheiße? Ach ja, ansonsten wäre ich wohl schon längst tot, zumindest ohne den Gnom, der dicht vor mir herläuft und dabei stolz sein Blümchen trägt. Er rupft immerzu weitere ab, alle, die bereits sterben und bringt sie weg. Und dabei kann man sogar beobachten, wie er für jede eine traurige Mine aufsetzt, als würde er an ihrem Bett sitzen und ihnen ganz zum Schluss die Hand halten. Der Gedanke scheint absurd und doch, während ich mich Schritt für Schritt zwischen den ganzen Wesen hindurch und Weg von dem See schlängle, habe ich immer mehr das Gefühl, dass diese Spezies nicht so dumm ist, wie sie erscheint. Die meisten der Wesen meiden mich auch nicht, wie man es erst annehmen würde. Eigentlich würde ich es in manchen Fällen tatsächlich bevorzugen, wenn sie etwas mehr Scheue an den Tag legen würden, bei dem Spink zum Beispiel oder eben der Fee.
Der Gnom watschelt, watschelt, wuselt dann zwischen etwas Unterholz davon, dass ich umgehen muss und dann sehe ich es. Im Matsch und Schlamm, zwischen abgestorbenen Pflanzen, Gestrüpp und trockenen Ästen, dort legt er die Blumen hin. Die Wichtel selbst lockern die Erde auf und scheinen sich ein kleines Acker mit Pilzen und dergleichen angelegt zu haben. Mir bringt das nichts, da diese Wesen grundsätzlich alles zu essen scheinen, was für uns giftig ist.
Nur kurz sehen sie auf, nicken dem Gnom dankend zu, der die Blumen zu den anderen wirft und dann wieder zurück zu mir kommt. Statt dass also ich auf die große Suche nach etwas essbarem gehe, laufe ich irgendwie wieder diesem kleinen Wesen nach, welches vor sich hin plappert. Mittlerweile bin ich sogar froh, dass ich ihn nicht verstehe oder sie… so ganz kann ich das nicht differenzieren. Er könnte mir ja von seinem Schlafplatz erzählen oder wie er heute sein Geschäft erledigt hat, so viel wie der Gnom redet kann ich mir schwer vorstellen, dass er auch nur eine Sache nicht erwähnt.
Dafür würde mich wirklich interessieren, wie er die Meerjungfrau gefunden hat, wie den See. Wieso er so normal auf die Fee reagiert und was es bitte mit dieser ganzen Pan-Scheiße auf sich hat. Das ausgerechnet ich damit zu tun haben muss. Pan. Ich spucke auf ihn. Er ist gegangen. Erst war er da und damals ging es Nimmerland gut, das hat mein Vater immer gesagt. Ja, es war anstrengend und sie hatten große Schlachten gegen die verlorenen Jungen und die Indianer, aber es war besser. Er hat zwar nicht viel gesagt, aber so hat es sich zumindest angehört. Und dann ist Pan das erste Mal verschwunden, um nach Ewigkeiten, einem wirklich langen Winter wieder aufzutauchen. Das weiß jedes Kind, es wird hinter den Kneipen und in den Bordellen erzählt. Und Peter Pan hatte plötzlich Kinder, die er retten musste, nur war er eben dick geworden und hatte verlernt zu glauben. Woran auch immer. Manche glauben auch etwas zu sehr an jeden Dreck hier, vor allem an den lieben Alkohol. Damals hat er Hook getötet, hat seine Kinder gepackt und ist gegangen.
Er hat eine Familie dem Nimmerland vorgezogen und uns alle verraten, aber noch schlimmer ist, dass er uns nun endgültig alle zurück gelassen hat. Lieber ist er alt und fett geworden, zufrieden, mit weißen Haaren. Ja, schön. Davon träumt jeder, nur dass ich wahrscheinlich nur weiß von der Kälter werde, wenn mir das Blut dann gefriert. Er hat uns verraten, uns alle zurück gelassen und genau deswegen will ich mit Peter Pan nichts, aber wirklich absolut gar nichts zu tun haben.
Der Gnom plappert weiter, tappst schnell neben mir her und biegt immer mal wieder in eine Richtung ab, wohin ich ihm folge. Mein Magen fängt sich mittlerweile an selbst zu verdauen und zu trinken brauche ich auch, diese kleine Menge hat eindeutig nicht ausgereicht. Ein Rascheln lässt mich inne halten, irgendwo knackt es leise und als ich mich umsehe erkenne ich auch ein grünliches Leuchten, nur im Augenwinkel. Es genügt bereits um mich erahnen zu lassen, dass die Fee uns folgt, wohl aber versucht unbemerkt zu sein, sich dabei aber zu dämlich anstellt.
Ich habe sie zumindest gesehen und nach dem Grinsen des Gnoms, der erst mich und dann die Stelle hinter mir ansieht, dann aber hastig wieder wegkuckt und weiter läuft, hat er sie offensichtlich auch bemerkt. Toll. Also habe ich einen mir das Ohr abkauenden Gnom, den es nicht schert ob ich ihn verstehe und eine aggressive Fee. Falls ich das irgendjemandem erzähle, die halten mich alle für verrückt oder schieben es auf meine Nüchternheit. Da kann das Hirn bisschen spinnen.
Das Zittern macht mich völlig fertig, vor allem auch meine Kurzatmigkeit und dann dieses Verlangen. Ich brauche etwas zu trinken oder vielleicht kann ich auch einfach ein paar Kräuter rauchen. So nahe war ich schon lange, wirklich lange nicht mehr an Nüchtern dran und es macht meinen Körper fertig.
Der Gnom läuft zu ein paar Büschen, ich folge hindurch und kann dann ein paar rote Beeren ausmachen, direkt gerade aus. Auf eben diese steure ich zu, mustere sie und zupfe eine ab, um sie genauer zu inspizieren. Kaum dass ich entscheide, dass ich sie weder kenn, noch wirklich weiß, ob sie giftig sind, kommt auch schon mein kleiner Beschützer quäkend und panisch angelaufen, um wild fuchtelnd mich davon abzuhalten. Also, mich davon abzuhalten, etwas zu essen, dass ich gar nicht vorhatte zu essen.
Stattdessen hält er mir eine andere Beere entgegen und zeigt mir sogar wo er diese gefunden hat, kaum dass ich ihm folge. Wieder das leise Klingeln hinter uns, ich ignoriere es einfach und werde hellhörig, als ich neben meinen Schritten und dem Knacken im Unterholz auch das leise Rauschen von Wasser höre. Die Beeren sind schnell gefunden, auch ein paar Pilze, die ich zuordnen kann und all das sprießt entlang einen seichten, kleinen Bachs, dessen Wasser wirklich sauber wirkt. Es wäre mir auch herzlich egal, wenn es dreckig wäre, solange es nicht fischig ist und Tiere hinein… ich will da einfach nicht weiter drüber nachdenken. Hastig schöpfe ich mir das kühle Nass in den Mund, schlucke natürlich zu schnell, mal wieder und kotze es beinahe wieder aus.
Das ist mir ja erst neulich passiert, im Wald, an diesem Brunnen… . Ich erstarre, sehe hinab auf die Wassseroberfläche und mein verschwommenes Spiegelbild an. Ein dunkler Schatten, einige Konturen zu erkennen, mehr aber nicht. Welcher Wald? Welcher Brunnen? Es scheint so real, aber irgendwie ist die Erinnerung nicht richtig greifbar, einfach nicht ganz zu fassen und dann reißt mich das Klingeln aus meinen Gedanken.
Die Fee hat sich dazu herabgelassen aufzuschließen, sie leuchtet etwas rosa und hat sich mit den Beeren angefreundet, die der Gnom eigentlich für mich gepflückt hat. Undankbares Ding. Mittlerweile habe ich mich sogar etwas daran gewöhnt, an dieses Flatterding, auch wenn ich nicht will, dass sie in meine Nähe kommt. Wie eine Mücke, die will man auch nicht zu nahe an sich dran haben.
In ihren winzigen Händen hält sie die große Beere, und beißt immer wieder hinein. Nur langsam, nachdem sich mein Magen erholt und doch nicht entleert hat, nähere ich mich. Als würde sie mich jeden Moment wieder attackieren. Aber sie bleibt ruhig, isst zufrieden und reagiert auch nicht, als ich ein paar Beeren einsammle und in den Mund schiebe. Mein Magenknurren kann man sicherlich weit hören und dann die Töne, welche er veranstaltet, als etwas festeres ihn füllt. Falls man denn diese Beeren als feste Nahrung abtun kann.
Ein Knacken lässt mich aufschrecken, ich sehe mich um und den Gnom an, welcher gerade wieder aus dem Unterholz kommt und allerlei Beeren, größere Früchte in verschiedensten Farben und Wurzeln herbei trägt. Er gurrt zufrieden, wirft das alles hin und dreht sich wieder um. Knacks, Knacks, Knacks und dann schreit er. Mein Blick bleibt an den Füßen hängen, zwei Füßen, um genau zu sein und sie sind nackt. Braun und nackt und behaart und männlich. Die winzigen Härchen auf den Zehen stören mich nicht einmal, viel mehr der Anblick, als ich den Kopf in den Nacken lege, mittlerweile ja sitze und somit eindeutig in der ungünstigeren Position bin.
Ja, und dann hängt da dieser Speer unter meinem Kinn und das ist die noch ungünstigere Position. „Parley?“, bringe ich heraus und kann mich ganz schwammig an diese Regel zurück erinnern. Wenn man selten auf andere Piraten stößt, mit selten meine ich nie, dann kann man sowas schon mal vergessen. Nur dass da vor mir kein Pirat steht, sondern eine Rothaut. Ein ziemlich großer Mann, mit Kriegsbemalung, schwarzem, langem Haar, das nach hinten zusammen gefasst ist und von einigen Federn geschmückt ist. Er hat ein ernstes, hartes Gesicht, einen leichten Bartansatz, dunkle, schmale Augen, große Lippen und jetzt fragt man sich eventuell, wieso genau ich nur sein Gesicht und diese Haarpracht beschreibe. Nun… der Rest ist halbnackt.
Ob das mein erstes Zusammentreffen mit einem Indianer ist, nein. So aus der Ferne habe ich die schon mal gesehen, da haben sie mehr getragen. Aber wie gesagt, meist war ich eher für die Tiere zuständig, die uns zerfleischen wollen und nicht Indianer. Nein.
Mein Gesicht glüht, das tut mein Körper ja ohnehin schon die ganze Zeit, abwechselnd mit dem Schüttelfrost, aber die Hitze kommt eindeutig nicht von meinem Alkoholentzug. Ich hebe vorsichtig die Hand, erst zu schnell, weswegen mir die Klinge ruckartig etwas mehr gegen den Hals drückt und dann wesentlich langsamer, WIE-IN-ZEIT-LU-PEEEE. Ich habe keine Waffen, ich bin völlig ausgehungert und eine Frau, auch wenn er Letzteres wahrscheinlich gar nicht bemerkt. Er kümmert sich auch nicht weiter um den Gnom, schenkt ihm keinen Blick, was dieser ausnutzt.
Ich sehe meinem ehemaligen Schoßhündchen hinterher, realisiere, dass auch die Fee einfach verschwunden ist und beide mich völlig im Stich gelassen haben. Verräter, alles Verräter. Etwas peinlich berührt und wirklich bemüht nicht direkt auf diese Bauchmuskeln zu starren, versuche ich umständlich und mit beiden Händen erhoben aufzustehen. Ob der mich überhaupt versteht?

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